Der 1.Bericht vom Freiwilligenjahr aus Sri Lanka von Johannes Freymann, dem ich das soziale Jahr ermöglicht habe.
Gründe und erste Erfahrungen der nachschulischen Selbstfindung, um sich in sozialer Hinsicht nützlich machen zu können.

Es ist Freitagmorgen, ich sitze im Schnellbus nach Colombo. Das Adjektiv „schnell“ ist hier in Sri Lanka allerdings relativ. Schnell fährt auch der staatliche Linienbus, dieser hält aber öfter, die Musik ist unglaublich laut und die Fahrweise wie die einer Achterbahn. Also zahle ich 100 Rupien (60 Cent) mehr und gönne mir den Luxus des klimatisierten Busses. Gerade habe ich mir allerdings die Kapuze über den Kopf gezogen, denn irgendwie weiß der Fahrer wohl nicht, dass die Klimaanlage das Fahrgefühl angenehmer machen soll – soviel zum Thema Luxus.

2Der Grund für meinen Ausflug in die Hauptstadt ist der Erhalt des Residenz Visums, welches ich für meinen einjährigen Aufenthalt hier in Sri Lanka benötige. Ich, Johannes Freymann, habe mich dafür entschieden, nach meinem Abitur ein Jahr in Sri Lanka zu leben, um mich, neben der üblichen nachschulischen Selbstfindung, auch in sozialer Hinsicht nützlich machen zu können.
Ermöglicht wird mir dies über die Organisation „Freunde der Erziehungskunst Rudolf Steiners e.V.“, welche jährlich mehreren hundert Freiwilligen die Chance gibt im Rahmen eines sozialen Programmes Länder fern ab vom gewohnten Europa kennenzulernen.
Ich für meinen Teil habe schon lange mit Südostasien geliebäugelt – die erste Bewerbung also ging nach Sri Lanka, ich wurde angenommen und lebe mittlerweile seit drei Monaten auf der smaragdgrünen Insel im Indischen Ozean. Zu meinen Hauptaufgaben zählt neben der Betreuung von Kindern mit Behinderungen auch das Unterrichten von Englisch an lokalen Schulen.3
Jeden Dienstag zum Beispiel stehen meine zwei Mittfreiwilligen und ich also vor einer Gruppe von ungefähr 60 sri-lankischen Schülern gemischten Alters. Nachdem wir diese mit größter Mühe und nötiger Raffinesse (die Kinder entfernen sich nur ungern aus ihrem Freundeskreis) in gleich starke Gruppen eingeteilt haben, können
wir dann in Kleingruppen den Unterricht starten. Dies geschieht in spielerischer und praxisnaher Form – Englischunterricht in „guter“ alter Frontalmanier gibt es hier zu Genüge. So können die Kinder zwar fleißig auf dem Papier über ihr Leben berichten, jedoch fällt ihnen der kommunikative Kontakt zu Anderssprachigen sehr schwer, was aber auch auf die schüchterne Mentalität der Sri-Lanker zurückgeführt werden kann.
Mit Spielen, Gesang (zur Erhöhung der beidseitigen Erheiterung spiele ich Ukulele) und vor allen Dingen viel zwischenmenschlichem Kontakt versuchen wir dieses Eis der Zurückhaltung möglichst sanft zu durchbrechen und so die Weichen für ein internationales Miteinander, welches den Kindern auch in Zukunft zu Gute kommen soll, zu stellen.
Wie ich gerade feststelle, ist auch hier im AC-Bus die Musik sehr laut, die Temperaturen immer noch winterlich frisch, sodass ich mich freue wenn die Tür aufgeht und die gewohnte morgendliche Tropenluft hereinzieht.
Heute bin ich bereits um 6 Uhr aufgestanden um nach dreistündiger Busfahrt hoffentlich (bei sri-lankischen Behörden weiß man nie) die Pässe mit besagtem Visum abzuholen. Unsere Region macht gerade die Regenzeit durch und so konnte ich mich erst bei abschwächendem Guss gegen 7 auf mein Moped schwingen, um zunächst möglichst trocken zum Tempel zu gelangen. Dort musste ich nämlich beim Mönch meines Vertrauens einen Brief abholen, in welchem er beschreibt, dass unsere Arbeit an den Schulen wirklich benötigt wird. Am Tempel angelangt fing es wieder stark zu regnen an, also setzte ich mich mit einem Buch in den Eingang und las ein bisschen. Ein Mönch bemerkte mich und lud mich zu einem typisch srilankischen Frühstück ein. Genau bedeutet das Reis, Reisnudeln, Curry, Fisch, Chilipaste und Bananen – serviert in kleinen silbernen Schalen. Sri-lankisch essen bedeutet auch, kein Besteck zu benutzen – zum Glück habe ich vorher schon ausgiebig geübt und stellte mich beim Essen mit der Hand (kein Plural, die linke Hand hat eine andere Aufgabe) ganz gut an.

5Diese Skills erwiesen sich auch am gestrigen Abend als hilfreich, an welchem wir bei unseren überaus freundlichen und hilfsbereiten Nachbarn zu traditionellem Essen und Arack (Kokosschnaps) eingeladen wurden. Komischerweise hielten sich die Gastgeber beim Essen eher zurück, der Vater mopste sich manchmal ein Stück Gemüse doch die größeren Portionen waren tatsächlich für uns bestimmt. Was mich extrem störte war, dass die Mutter die ganze Zeit abseits vom Tisch saß und das Geschehen lediglich beobachtete. Als sich dann die Runde etwas löste, nahm ich
mir einen Stuhl und bat sie zu uns an den Tisch, das ist ja wohl das Mindeste. Die restlichen Stunden gestalteten sich feucht fröhlich, was es für uns noch schwieriger machte (heute früh aufzustehen), das stark von Lücken und Akzent geprägte Englisch zu verstehen – Nicken und Lächeln entpuppte sich als tolles Mittel zur
Völkerverständigung.
Der Abend endete mit einer kleinen Meditationsshow des Nachbarn vor unserem Haus. Einen Tag später musste er zum Arzt, er hat sich beim Posieren wohl den Muskel angerissen und humpelt nun mit Verband durch den Palmengarten.1
Gerade kam uns auf unserer Spur ein Linienbus entgegen geschossen. Nur knapp konnte er den gewagten Überholvorgang beenden, wieder auf die richtige Spur zurück und so einen Crash verhindern – ich lebe noch (dies dürfte also nicht der letzte Bericht aus dem fernen Osten sein). Nach gefühlt 10 solcher Nahtoderfahrungen schlängeln wir uns nun langsam dem Busbahnhof Colombos entgegen. Die Türen öffnen sich (wie immer bin ich der Letzte, der aussteigt), die feuchtwarme Luft befreit mich von der schrecklichen Klimaanlage und macht mir jetzt auch wieder äußerlich bewusst wo ich bin – Sri Lanka ist schön!