Mittwoch, 21. März 2012
(Sächsische Zeitung)
Nicht vergessen die SZ kann Mensch auch kaufen
„Die Stadthalle sollten wir einmotten“
Von Sebastian Beutler
Mirko Schultze von der Linkspartei hält den Umbau im Moment für nicht finanzierbar. Er empfiehlt, auf bessere Zeiten zu warten.
Sie ist wieder zurück: die Stadthallen-Debatte. 40 Millionen Euro heißt im Moment die Maximalvariante, die nicht bis Mitte 2015 zu schaffen ist. Das ist aber die letzte Frist, um die europäischen Fördermittel abrechnen zu können. Ohne diese 22,5 Millionen Euro aber funktioniert das gesamte Vorhaben gar nicht. Jetzt werden hektisch hinter den Kulissen verschiedene Varianten geprüft, darunter ein Bau in Teilabschnitten oder eine abspeckte Sanierung. Heute debattieren die Stadträte im nicht-öffentlichen Teil des Verwaltungsausschusses zu dem Thema. Mirko Schultze von der Linkspartei ist dabei und erklärt im SZ-Interview seinen Standpunkt.
Herr Schultze, die Stadthalle soll mehr kosten und ihr Umbau länger dauern als geplant. Überrascht sie das?
Nein. Bereits im September beim ersten Stadthallen-Planungsbeschluss wurden zarte Hinweise vom Hochbauamt von der Mehrheit des Stadtrates überhört, dass die Baufristen sehr knapp sind. Wenn jetzt auch noch die Kosten von 33 auf 40 Millionen Euro steigen, dann sollte man die Pläne nochmals komplett auf Machbarkeit überprüfen.
Die Linke hat im September nicht für den Stadthallen-Umbau gestimmt. Fühlen Sie sich in Ihren Zweifeln jetzt bestätigt?
Ich werde jetzt nicht sagen: Ätsch, ich habe es schon immer gesagt. Wir haben immer auf die zeitlichen und finanziellen Risiken hingewiesen. Wenn sie jetzt eintreten, dann ist das nicht schön. Es macht in diesem Fall keinen Spaß, wenn die Zweifel bestätigt werden. Lieber hätte ich in dieser Frage Unrecht gehabt.
Warum?
Die Stadthalle ist für ganz viele Görlitzer ein wichtiges, auch emotional bedeutendes Projekt. Unter günstigeren Umstände bräuchte die Stadt es auch. Aber nicht zu jedem Preis. Und der Preis, den wir jetzt zahlen sollen, ist aus meiner Sicht zu hoch. Es ist ein gutes Projekt, aber nicht finanzierbar.
Aber die Stadt hat im vergangenen Jahr nach Angaben von OB Joachim Paulick mehr als drei Millionen Euro Überschuss erwirtschaftet.
Das mag sein. Aber wir haben viele Baustellen, nicht nur die Stadthalle. Und wir sprechen über einen Zeithorizont von 20 Jahren. In diesem Zeitraum ist weder garantiert, dass wir jedes Jahr drei Millionen Überschuss haben werden, noch, dass wir das Geld nicht auch für andere Dinge brauchen werden. Irgendwann müssen wir auch wieder das Neißebad oder andere Gebäude sanieren und instandsetzen. Deswegen ist diese Begründung nicht nachhaltig. Wir sollten die überschüssigen Gelder daher dafür verwenden, um die Gebühren für die Bürger zu senken, denn die haben maßgeblich zu den Überschüssen beigetragen, oder Rücklagen für die Zukunft bilden, wofür bisher der fast aufgebrauchte Neißefonds zur Verfügung stand.
Sie sprechen sich dafür aus, das Projekt Stadthalle abzubrechen?
Ich würde vorschlagen, die Stadthalle bauhistorisch zu sichern, damit für den Fall, dass ein Investor kommt oder finanziell die Lage für die Stadt besser wird, wir die Halle wieder beleben und zu einer zeitgemäßen Kongress- und Veranstaltungshalle umbauen können.
Sie wollen die Stadthalle also einmotten?
So könnte man es auch sagen.
Glauben Sie, dass ein solcher Vorschlag im Stadtrat eine Mehrheit finden wird?
Das ist schwierig abzuschätzen. Allerdings erhalte ich viele Signale von anderen Stadträten, die neu über die Stadthalle nachdenken. Ob das schon für eine Mehrheit reicht, weiß ich nicht. Aber gerade in dieser Frage sollten wir nicht den Kopf vor den Tatsachen in den Sand stecken und nach dem Motto verfahren: Augen zu und durch.
Es gibt Kritik an den Planern, dass sie für das Projekt nicht genügend brennen.
Das sehe ich nicht so. Die Planer sind gute Fachleute. Ob extern oder intern geplant wird, ist dabei unerheblich. Aber wenn die fachliche Bewertung nicht mit dem politischen Willen übereinstimmt, dann sollte man nicht die Fachleute auswechseln, sondern doch eher sich selber fragen, ob der politische Wille noch mit der Realität übereinstimmt.
Wird der Stadtrat am nächsten Donnerstag über die Stadthalle erneut abstimmen?
Ich persönlich würde das aus zwei Gründen gern verschieben. Zum einen ist es die letzte Sitzung vor dem ersten Wahlgang bei der OB-Wahl. Mir wäre es lieber, wir würden die Diskussion nüchtern und unaufgeregt erst danach führen. Zum anderen liegen derzeit nicht alle Zahlen und Fakten auf dem Tisch. Und dann sollen wir innerhalb einer Woche eine solch weitreichende Entscheidung treffen. Das ist kaum zu schaffen. Und wir sollten auch nach Dresden das klare Signal senden, dass wir für die Unterstützung durch die Fördermittel dankbar sind, aber auch eine Verantwortung für die Stadt und die Steuerzahler haben, dass die öffentlichen Mittel sinnvoll verwendet werden.