Nicht erst seit der Diskussion um Erika Steinbach und ihre geplante Berufung in den Stiftungsrat des Zentrums gegen Vertreibung zeigt sich, wie sensibel dieses Thema immer noch behandelt werden muss. Dass in Görlitz die Idee geboren worden ist, ein eigenes Zentrum Gemeinsames Erinnern“ zu schaffen und sich die Europastadt Görlitz/Zgorzelec damit ein eigenes Projekt gibt, welches sich mit den Migrations- und Immigrationsbewegungen des 20. Jahrhunderts beschäftigt, war am Anfang durchaus Unterstützung wert. Nun sind aber seit den ersten Ideen – die bekanntlich schon älter sind als es der Geschäftsführer der Europastadt Görlitz/Zgrozelec wahrhaben will – einige neue Projekte entstanden. Das Schlesische Museum, welches die Vergangenheit wissenschaftlich aufarbeitet und mit Dauer- sowie Sonderausstellungen das Thema in meist hervorragender Weise darstellt, ist genauso entstanden wie zahlreiche kleine private Projekte. Nun hat ein Wirtschaftsförderer von Görlitz das Potenzial an Arbeitsplätzen und Touristenzahlen erkannt und im Oberbürgermeister einen wohlwollenden Fürsprecher gefunden. Doch eben da liegt das Problem. Die Beschäftigung mit der Vergangenheit, das hochsensible Thema von Flucht und Vertreibung ist nicht nach Marktpotenzialen organisierbar, sondern kann nur dann wirklich Ziel führend sein, wenn erstens klar ist das es ernst gemeint ist und nicht einer nachträglichen Umdeutung der Geschichte dient, wenn es zweitens alle von Flucht, Vertreibung und Umsiedlung Betroffenen umfasst und wenn drittens das Projekt mit höchst möglicher Transparenz entwickelt wird. Diese Eigenschaften werden vom Görlitzer Projekt bei weitem noch nicht erfüllt. Das verschickte Memorandum kannte kaum ein Stadtrat aus Zgorzelec oder Görlitz, noch wurde politisch über die Inhalte diskutiert. Die Finanzierung ist bei weitem nicht gesichert und so ist heute schon abzusehen, dass Kleinst- und Kleinprojekte einen verengten Blick mangels Masse erzeugen werden, bei dem Teilstücke herausgelöst werden und so die Gefahr von einseitiger Geschichtsbetrachtung erheblich ist. Weder Görlitz noch Zgorzelec ist in der Lage ein Projekt dieser Dimension zu stemmen und wir sollten uns auch nicht der Illusion hingeben dies bewältigen zu können. Wenn wir dies aber analysieren, dann sollten wir die Bremse ziehen solange der Zug noch nicht mit voller Kraft rollt. Ist das Projekt erst einmal in einer Phase der Umsetzung, bei der Erwartungen geweckt werden, werden die Enttäuschungen größer sein als der Nutzen, wie auch immer man diesen definiert hat.
Mein Vorschlag ist dem Grunde nach einfach. Wir beerdigen das eigene Projekt und verwenden die finanziellen Mittel, die dadurch frei werden für polnisch-deutsche Projekte, deren Ziel ein gemeinsames Kennenlernen fördert und die die Idee der Europastadt Görlitz/Zgorzelec weiterentwickeln. Es ist meine Überzeugung, dass es besser ist dem Schlesischen Museum die wissenschaftliche Aufarbeitung zu überlassen und uns darauf zu konzentrieren die Zukunft in einem gemeinsamen Europa zu gestalten.