Züge bauen und testen, Schienen reaktivieren, Angebote kostengünstig
und bequem für alle!
Caren Lay (MdB), Antonia Mertsching (MdL), Mirko Schultze (MdL), Marco Böhme (MdL),
Andrea Kubank, Alex Theile und die Kreisverbände der LINKEN Bautzen und Görlitz
Vorbemerkung:
Dieses Papier ist im Abstimmungsprozess der LINKEN zwischen den Kreisverbänden Bautzen und Görlitz,
den Landtagsabgeordneten und Bundestagsabgeordneten unter Mitwirkung der LINKE-Kandidierenden
Andrea Kubank (OB-Kandidatin Bautzen) und Alex Theile (Landratskandidat Bautzen) entstanden. Es
begrenzt sich vor allem auf die Schienenverbindungen auf deutscher Seite. Ebenso ist aber allen bewusst,
dass die Schieneninfrastruktur mit den polnischen und tschechischen Nachbarn zusammen gedacht werden
muss. Dafür verweisen wir insbesondere auf die Stellungnahme des Fahrgastverbandes Pro Bahn e.V.,
Landesverband Sachsen zur Zweiten Gesamtfortschreibung des Regionalplans Oberlausitz-Niederschlesien.
Genauso sind die Entwicklungen in der brandenburgischen Lausitz zu beachten und in die Überlegungen
einzubinden. Dazu dient auch die „Integrierte Verkehrsstudie Lausitz“ der Zukunftswerkstatt Lausitz (2020) als
ausführliches Strategiepapier, welche aber keine Schwerpunktlegung auf den Schienenverkehr vornimmt, den
wir wiederum als notwendig erachten.
Die soziale und umweltfreundliche Verkehrswende endlich beginnen!
Die sozialen und ökologischen Herausforderungen werden nicht durch einen elektrischen
Individualverkehr gelöst werden können. Es braucht daher unbedingt ein nachhaltiges
öffentliches Nah- und Fernverkehrsangebot, welches zeitlich, finanziell und qualitativ
attraktiv für alle ist. Damit verbunden sind auch die Ziele der gleichwertigen
Lebensverhältnisse, wirtschaftliche Erreichbarkeit und Entwicklung. Wir sehen in den
Forderungen auch einen Beitrag zu den Diskussionen rund um den Strukturwandel in der
Lausitz. Durch unsere Vorschläge kann die Oberlausitz als Lebens-, Arbeits- und
Erholungsort attraktiver werden. Gerade hier wurden in den letzten dreißig Jahren viele
Kilometer Schienen stillgelegt. Dazu ist es eine der wenigen Regionen, die noch nicht mit
elektrifizierten Strecken und Schnellverbindungen an den Fernverkehr angeschlossen ist.
Für einen gelingenden Strukturwandel und die Anbindung im Herzen Europas in alle
Himmelsrichtungen ist die schnellstmögliche Umsetzung unserer Forderungen eine
notwendige Voraussetzung.
Wir wollen dabei nicht nur die aktuelle Nachfrage im ÖPNV und Schienenfernverkehr
betrachten, sondern ein Angebot an die Menschen in der Region, an Tourist:innen und
Unternehmen machen. Es muss erst einmal ein attraktiver ÖPNV bestehen, um Menschen
zum Umstieg bewegen zu können. Dazu braucht es den Einbezug aktueller und zukünftiger
Güter- und Pendlerströme, wie sie auch über die „Niederschlesische Magistrale“ zu
erwarten sind und sich aktuell vor allem im LKW-/Straßenverkehr niederschlagen. Wir legen
hiermit einen Katalog vor, der nicht einzelne Strecken herauspickt, weil sie besonders
kostengünstig ausgebaut und realisiert werden können.
Wir fragen uns vielmehr:
„Welche Schieneninfrastruktur und Angebote braucht es, um den Bahnverkehr für
Bürger*innen, Unternehmen und Tourist:innen attraktiv zu machen?“
Daher gehen wir von einem Ziel (wünschenswertes Angebot) aus und beschreiben, welche
Schritte dazu gegangen werden sollen. Nur mit einer integrierten Gesamtstrategie für einen
klimaneutralen Verkehr im ländlichen Raum, wie hier der Oberlausitz, können die Pariser
Klimaziele erreicht werden. Mit bruchstückhafter Politik werden wir dabei nur auf der Stelle
treten.
Die Verkehrswende muss deswegen jetzt entschlossen und strategisch angegangen
werden, um in den kommenden zehn Jahren Früchte zu tragen. Die Oberlausitz kann dabei
vorangehen und europaweit Maßstäbe für ländliche Räume setzen. Wir wollen zeigen, dass
klimafreundliche Mobilität mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht nur etwas für Großstädte ist,
sondern auch im ländlichen Raum funktionieren kann.
Dazu liegt es im industriellen Interesse der Oberlausitz, das seit über 100 Jahren
vorhandene Bahncluster zu stärken. Genannt seien hier allein die beiden
Produktionsstandorte von Alstom in Bautzen und Görlitz oder der Waggonbau in Niesky. In
unmittelbarer Nähe soll das ICE-Instandsetzungswerk in Cottbus im Rahmen des
Strukturwandels ausgebaut werden. Die Stärkung dieses industriellen Clusters mit mehr
2.300 Arbeiter:innen allein in Ostsachsen liegt uns besonders am Herzen. Eine Investition
in den Schienenverkehr ist daher auch eine Investition in die Arbeitsplätze der Region. Nicht
zuletzt durch gute Tarifverträge, auch bei den Beschäftigten im Bahnverkehr. Dazu sollte
unbedingt ein Schienentestring im Raum Niesky entstehen, um auch internationale
Vernetzungen zu stärken, Arbeitsplätze zu schaffen und dringend benötigte Testkapazitäten
für Alstom und andere Hersteller zur Verfügung zu stellen.
Wir als LINKE. fordern daher, die Oberlausitz als Schienenverkehrsknoten für den
Nah- und Fernverkehr umgehend auszubauen! Dazu sollen moderne Antriebstechnik
und partizipative sowie digitale Möglichkeiten der Verkehrsplanung zusammenkommen.
Um diese Ziele zu erreichen, stellen wir zwölf Forderungen auf, die wir sowohl auf
kommunalpolitischer als auch auf Landes-, Bundes- und Europaebene voranbringen
werden.
Zwölf Forderungen für die Bahnmodellregion Oberlausitz der Zukunft
- Schnellstmögliche Wiederinbetriebnahme der Strecken für den
Personenverkehr, die nur noch für den Güterverkehr genutzt werden. Beispielhaft
seien hier aufgeführt: Löbau – Rumburk, Weißwasser – Industriepark Schwarze
Pumpe – Hoyerswerda, Kamenz – Hoyerswerda - Schnellstmögliche Reaktivierung aller Strecken, die noch nicht entwidmet wurden
sowie die Reaktivierung aller weiteren relevanten Schienenstrecken und der Ausbau
von Verbindungsstücken zwischen entsprechenden Schienenstrecken. Beispielhaft
seien hier aufgeführt: Niedercunnersdorf – Oberoderwitz, Bautzen – Wilthen –
Neustadt, Rothenburg – Horka, Eibau – Varnsdorf, Seifhennersdorf – Rumburk,
Hoyerswerda – Bautzen - Die Elektrifizierung der Strecken zwischen Dresden – Görlitz, – Hoyerswerda und –
Zittau (-Liberec), sowie zwischen Cottbus und Görlitz müssen schnellstmöglich
erfolgen. Die Nutzung der vorhandenen Stromtrassen soll dabei dem Neubau
vorgezogen werden. Das verringert die Planungs- und Umsetzungszeit erheblich. Die
Elektrifizierung ist dabei Voraussetzung für die S-Bahn-Taktung. - Förderung von Modellprojekten zu batterie- und wasserstoffbetriebenen Zügen
und auch Straßen-Schienen-Omnibussen, um den flächendeckenden Aufbau der
Streckenelektrifizierung mit langjährigen Planungsverfahren zu vermeiden und die
fließende Verbindung zwischen Schienen- und Busstrecken zu sichern
(insbesondere für touristische Angebote sinnvoll). Die Strecke Löbau-Rumburk
könnte dabei als binationales Modellprojekt für batterie- und
wasserstoffbetriebene Züge dienen. - Halbstündige S-Bahn-Taktung zwischen den Knotenpunkten HoyerswerdaDresden, Bischofswerda – Bautzen – Görlitz, Cottbus – Görlitz – Zittau – Liberec,
Bischofswerda – Zittau – Liberec, Hoyerswerda – Niesky – Görlitz sowie die
Verlängerung der Fahrzeiten bis 24 Uhr, freitags und samstags bis ein Uhr zur
Förderung der zeitlichen Attraktivität des Bahnverkehrs und damit verbundener
zweigleisiger Ausbau der Schienenstrecken. - Stündliche Schienenschnellverbindung zwischen Dresden und Wroclaw mit
Zwischenhalten in Bautzen und Görlitz sowie Schnellverbindung zwischen Berlin und
Wroclaw mit Zwischenhalten in Cottbus, Weißwasser (als touristischer Knotenpunkt
zu mehreren UNESCO-Stätten und Lausitzer Seenland) und Görlitz. - Finanziellen Attraktivität des Schienenpersonenverkehrs: Durch die Einführung
des 365 €-Jahrestickets sowie eines kostenfreien Sozialtickets (für
Empfänger:innen von Sozialleistungen, Schüler:innen, Auszubildende, Studierende,
Freiwilligendienstleistende und Ehrenamtliche des Bevölkerungsschutzes und der
Feuerwehren) im gesamten Geltungsbereich des ZVON kann der ÖPNV im Vergleich
zur PKW-Nutzung attraktiver werden. Mittelfristiges Ziel muss es sein, dass es einen
einheitlichen Tarif in Sachsen gibt, in dem auch die Mitnahme von Fahrrädern und
Lastenrädern kostenfrei ermöglicht wird. Zudem soll es touristische Gästekarten
geben, um den ÖPNV vergünstigt/kostenfrei für Mehrtagestourismus genießen zu
können (vgl. Projekt SpreewaldCard). - Enge Anbindung der touristischen Freizeithöhepunkte mit eigenen Bahnhalten,
wie dem Bärwalder See/Hafen Klitten oder der Förderung der Erreichbarkeit
zwischen Bahnhalt und dem Tourismuspunkt (Verbindung Bahnhof Hagenwerder und
Berzdorfer See, Bahnhof Weißwasser und Fürst-Pückler-Park) sowie einer
touristischen Linie zwischen Liberec und Hoyerswerda, um zwischen dem Jeschken,
dem Zittauer Gebirge und dem Lausitzer Seenland, ebenso zwischen Görlitz und der
sächsischen/böhmischen Schweiz über Löbau – Ebersbach-Neugersdorf – Rumburk
– Sebnitz – Bad Schandau – Děčín ein touristisch attraktives Angebot zu schaffen.
Diese Angebote müssen mit entsprechenden Tickets, wie einem erweiterten EuroNeiße-Ticket gefördert werden (siehe auch Punkt 6). - Ausbau des Anschlusses für den Schienengüterverkehr zwischen den bereits
vorhandenen Schienenstrecken und den neu entstandenen Industriegebieten
(Kodersdorf, Zittau-Nord, Boxberg, Flughafen Rothenburg, Großpostwitz/Singwitz).
Dazu müssen einige Bahnhöfe oder Netzknotenpunkte (wieder) zu multifunktionalen
Bahnterminals / Railports umgebaut werden, die auch für kleinere Güter zwischen
Bahn-, LKW- und Buslogistik (Vorbild: Postbus) genutzt werden können. Dazu muss
die oben genannte Elektrifizierung und der doppelgleisige Ausbau des
Schienennetzes zwischen zentralen Punkten auch für den Güterverkehr mitbedacht
werden. Dadurch könnten Infrastrukturprojekte, wie der Ausbau der A4, hinfällig
werden. - Die Personenbeförderung muss dem Leitbild der inneren Attraktivität
(Gemütlichkeit) dienen. Die Bahnen sollen nicht nur Transportmittel, sondern
ebenso Arbeitsort (rollendes Büro) und bequemer Aufenthaltsort für Reisende
(rollendes Café) sein. Dafür braucht es durchgehend gut verfügbares Internet,
Arbeitsplätze mit geräumigen Tischen (für bis zu vier Laptops) und Getränke- und
Essensversorgung. Auch die Bahnhöfe müssen nach diesem Leitbild gestaltet
werden. Bahnhofsgaststätten, Arbeitsplätze, Aufenthaltsräume und kostenfreie
öffentliche Toiletten gehören zu einem modernen Angebot.
11.Bei der Erarbeitung von Fahrplänen braucht es eine umfangreiche Beteiligung
der Bevölkerung, von relevanten Organisationen, der Wissenschaft, der
Unternehmen und der Bildungseinrichtungen. Ziel muss die optimale Verbindung
zwischen den Schienenverbindungen, Buslinien, Fahrradwegen sowie Bike- und
Car-Sharing-Angeboten, Park-and-Ride-und Bike-and-Ride-Angeboten sein.
Letzteres sollte mit integrierten Apps zwischen DB, privaten Eisenbahnanbietern
(derzeit Die Länderbahn mit ihrer Marke trilex und die ODEG), kommunalen
Verkehrsverbünden und Sharing-Anbietern gefördert werden.
12.Finanzielle Unterstützung des Schienentestrings TETIS im Raum Niesky durch
den Freistaat Sachsen und den Bund, um das vorhandene industrielle Bahncluster
in der Lausitz mit Standorten in Bautzen, Görlitz, Niesky und Cottbus zu stärken und
für Nutzer*innen aus Mitteleuropa sowie Unternehmen attraktiv zu werden. Dadurch
wird eine Bahnregion geschaffen, die von der Produktion- und Testung bis zur
Wartung von Schienenfahrzeugen im Umkreis von 100 km alles zu bieten hat. Zudem
liegt sie im Herzen Europas und kann durch die oben vorgeschlagenen Punkte zu
der Bahnregion Mitteleuropas werden.