Tag: Grundeinkommen

Zur Einkommenssituation im Landkreis Görlitz schreibt Jürgen Hönicke

Am 6. Juni 2008 durften die Bewohner*Innen der ehemaligen Kreise Löbau-Zittau und NOL sowie der kreisfreien Stadt Görlitz ihre Vertreter*Innen für den nach fünfjähriger harter Diskussion letztlich auf Druck des damaligen sächsischen Innenministers neu gebildeten Kreistages des neuen Landkreises Görlitz frei wählen. Die Stadt- und Gemeinderäte des vorherigen Landkreises Löbau/Zittau hatten sich mehrheitlich für ein Zusammengehen mit dem Landkreis Bautzen ausgesprochen. Die Landkreisverwaltung beging das denkwürdige Jubiläum am 25. August 2018 mit einem Tag der offenen Tür in mehreren Ämtern. Das letzte Augustwochenende ist der Termin, an welchem in ganz Deutschland Ämter und Institutionen für die Bevölkerung geöffnet werden. Dass an diesem Wochenende das Görlitzer Altstadtfest stattfand, war nur Zufall.

Die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) sieht seit Jahren in ihren jährlichen Prognosen und Berichten den Landkreis Görlitz erfolgreich am Ende der Verdienstmöglichkeiten. Kämpften bis zur Kreisreform 2008 zwei Landkreise um das Schlusslicht, hat dieses nun der Landkreis Görlitz gepachtet. Pünktlich zum Jubiläum 2018 gab es neue Zahlen zu wirtschaftliche Situation der Bewohner*Innen des Landkreises, die diesen Platz bestätigen. Die Bundesagentur für Arbeit hatte eine Statistik zum Lohngefälle von West nach Ost veröffentlicht. Am wenigsten bekamen Vollzeitbeschäftigte Ende vergangenen Jahres mit durchschnittlich 2183 Euro brutto im Monat im Landkreis Görlitz. Bundesweit am besten verdient wurde demnach in Ingolstadt in Bayern mit 4635 Euro. Im Westen liegt der Durchschnitt bei 3339 Euro, aber der Landkreis liegt im Schnitt weiter spürbar unter den flächendeckend niedrigen Löhnen im Osten mit 2600 Euro (Sachsen: 2479 Euro). In einem Anflug von völliger Realitätsfremde lässt der Landkreis Görlitz für das 1. Quartal 2018 ein durchschnittliches Bruttoeinkommen von 3115 Euro pro Monat veröffentlichen. Die Situation dürfte doch schwieriger sein. Es ging in dem neuen Zahlenwerk der Bundesagentur um Vollzeitbeschäftigung, nicht um Teilzeitbeschäftigung oder andere Einkommen. Wäre diese mit einberechnet worden, könnten die Einkommen auf einen Monatsdurchschnitt von 1458 Euro sinken, wie sie die GfK in ihrer Studie Ende 2016 für 2017 prognostizierte. Ebenso dürften die 13.657 „Bedarfsgemeinschaften“ im Landkreis Görlitz im Januar 2018, die direkt auf Hartz-IV oder als „Hartz-IV-Aufstocker“ zum regulären Lohn auf die angewiesen waren, keinen Einfluss auf die Berechnung der Bundesagentur für Arbeit gehabt haben. Es bleibt auch die Frage, ob nicht die rund 18.000 Auspendler, die ihr Geld außerhalb des Landkreises verdienen, die Statistik der Bundesagentur positiv beeinflussen. Ebenso wird die Statistik durch den übergroßen Anteil der im öffentlichen Dienst und ähnlichen steuerfinanzierten Bereichen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten positiv beeinflusst, die schon 2008 und 2010 an West-Tarife angeglichen wurden und regelmäßig Gehaltserhöhungen genießen. Immerhin beschäftigt der Landkreis aktuell 1584 Mitarbeiter*Innen. Ganz unbeachtet sind die mitunter mehr als fragwürdigen Löhne und Renten vieler Bewohner*Innen, die zum Sozialamt müssen, um auf die „Grundsicherung“ aufzustocken. Nicht erst zum Wahlkampf 2017 hatte Die Linke einen gesetzlichen Mindestlohns von 12 Euro und ein Grundeinkommen von 1050 Euro gefordert. Dabei blieben Die Linken weit unter den bereits 2007 vom damaligen Chef der dm-Drogeriekette Götz Werner ins Spiel gebrachte 1500 Euro Grundeinkommen. Ein höherer Mindestlohn und ein bedingungsloses Grundeinkommen sind die besten Instrumente, ein weiteres Abrutschen in die Armut zu verhindern. Das Grundeinkommen wie auch ein gesetzlicher Mindestlohn trifft auf wenig Gegenliebe einiger wortführender Unternehmer im Kreis. Weil aber Großinvestoren nach wie vor fehlen und auch nicht in Sicht sind, wird es wahrscheinlich im Landkreis dabei bleiben, dass wir der ärmste Landkreis Deutschlands sind.

P.S. Kleinere, regionale Unternehmen finden immer weniger Fachkräfte und beweinen das. Wer aber nicht ordentlich bezahlt wird, der sucht sich eben einen Job, wo er gerechten Lohn bekommt. Letztlich finden hiesige Unternehmen immer schwieriger Fachkräfte in Polen oder Tschechien, weil die Lohnunterschiede für Menschen der angrenzenden Regionen nicht mehr interessant sind und die Löhne in Polen und Tschechien steigen durch innenpolitische Maßnahmen.

 

 

 

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Bedingungsloses Grundeinkommen – Befreiung vom Würgegriff des Arbeitszwanges

Die Arbeit ist also eine Ware, die ihr Besitzer, der Lohnarbeiter, an das Kapital verkauft. Warum verkauft er sie? Um zu leben.
Karl Marx, (1818 – 1883), deutscher Philosoph, Sozialökonom und sozialistischer Theoretiker

Bedingungsloses Grundeinkommen ist der erste Schritt zur Befreiung vom Würgegriff des Arbeitszwanges.

Menschen sollten arbeiten, um zu leben – nicht leben, um zu arbeiten. Diese einfache Weisheit unterschreiben wohl die meisten Menschen. Wenn es aber konkret wird mit der Forderung nach der Befreiung vom Arbeitszwang, dann schrecken die meisten zurück und verfallen in ein Arbeitsbild, welches nicht nur nicht humanistisch ist, sondern auch Ursache für Ausbeutung und Niedriglöhne. Ohne Arbeit ist man nichts wert oder, wer etwas zu essen will, soll auch dafür arbeiten, sind dann die Parolen und gemeint ist hier immer die Lohnarbeit. Dass die Mutter, die ihr Kind erziehen möchte, unterstützt wird, dass das Kind, welches seine Eltern pflegt, abgesichert sein soll oder dass es wichtig ist, eine Wohnung und etwas zu essen zu haben, steht für die meisten außer Frage. Nur ist es aber so, dass mit Pflege, Kindererziehung oder gesellschaftlich nützlicher Beschäftigung kein Geld zu verdienen ist und man deswegen nicht von Arbeit spricht. An dieser Stelle beißt sich die Katze in den Schwanz, alle wollen diese Tätigkeiten erledigt haben, aber gesellschaftlich anerkennen tun wir sie nicht. Als Linke sollten wir hier weiter denken und uns fragen, was den Wert einer Gesellschaft ausmacht. Ist es die Verfügbarkeit von Lohnarbeit oder ist es der Umgang mit den Menschen in ihr. Ist es uns wichtiger, dass alle ihre Arbeitskraft verkaufen können oder ist es uns wichtiger, dass in einer Gesellschaft, wie wir sie wollen, Menschen einfach Menschen sind mit ihren Problemen, ihren Behinderungen, ihren Stärken und ihren Bedürfnissen. Wem nutzt es, wenn die Menschen ihre Arbeitskraft zu jedem Preis verkaufen müssen – den Beschäftigten oder den Aktionären? Gelingt es uns, die Position des Arbeitskraft Verkaufenden gegenüber dem Arbeitskraft Suchenden zu stärken, so befreien wir Ersteren vom Zwang alles annehmen zu müssen, um überleben zu können, und zwingen die Käufer der Arbeitskraft, einen gerechten Preis zu zahlen. Wir ermöglichen es dem Menschen selbst zu entscheiden, wie viel seiner Arbeitskraft er verkauft oder wie viel er dafür einsetzt, um sich zu bilden, seine Eltern zu pflegen oder anderen zu helfen. Keine Frau braucht mehr Angst vor Altersarmut zu haben, weil sie Kinder bekommen hat. Keiner braucht mehr für Niedriglöhne arbeiten gehen nur damit er was zu essen hat. Niemand muss auf Kultur, Bildung oder Sport verzichten, nur weil er sich die Eintrittspreise nicht leisten kann. Am Geld scheitert diese Vision nicht, das ist in unserem Land vorhanden, wie wir alle gelernt haben, als es um Banken, Bahnhöfe oder Kriegseinsätze ging. Es scheitert an der falschen Verteilung, an fehlender Verantwortung und an gelebter Solidarität und es scheitert an unserem eigenen Mut, neue Wege zu denken und die gegebenen Verhältnisse zu ändern. Wenn wir bereit sind, nicht nur Symptome zu behandeln, sondern Ursachen zu ändern, dann wird eine neue Gesellschaft möglich sein. Was das alles mit dem bedingungslosen Grundeinkommen zu tun hat? Sehr viel, denn erst wenn wir unsere Arbeit frei definieren können und die Freiheit haben, auch Nein zu sagen, dann sind wir in der Lage selbstbestimmt und solidarisch zu leben und das bedingungslose Grundeinkommen kann eine Basis sein, auf der sich eine neue Gesellschaft bildet. Es lohnt sich also darum zu kämpfen und nicht zu warten auf ein besseres Morgen. Durchbrechen wir die Sklaverei der erzwungenen Lohnarbeit und befreien wir uns von dem Zwang, unsere Arbeitskraft verschleudern zu müssen, um zu überleben.

Der Artikel ist für die Zeitung „Links der Neiße“ geschrieben worden.


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